Grundlagen zum Muskelaufbau beim Pferd

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So wirkt sich dein Training auf die Muskulatur deines Pferdes aus!

💭 Wir alle träumen von einem schönen, muskulären und kraftvollen Pferd

Dabei machen sich die meisten von uns aber wahrscheinlich gar nicht so bewusst, wie sehr wir als Reiter täglich den Bewegungsapparat und damit die Muskulatur unserer Pferde beeinflussen. 


In diesem Blogartikel erkläre ich dir alles rund um die Muskeln und den Muskelaufbau beim Pferd, damit du verstehst, wie du die natürliche Bewegung deines Pferdes unter dem Sattel fördern kannst und damit Verspannungen, Verschleiß und Verletzungen vorbeugst.

Das erwartet dich:

  1. die verschiedenen Muskeltypen
    • welcher Muskel macht was
  2. so ist ein Muskel aufgebaut
  3. die verschiedenen Muskelfasertypen
    • langsam, schnell oder beides zusammen?
  4. wie dein Training die Verteilung der Muskelfasern bestimmt
    • warum ein Bodybuilder keinen Marathon laufen kann
  5. Was bedeutet das für dein Training?
    • Fitnessstudio für dein Pferd – ohne Gewichte
  6. Die Belastungsgrenze
    • auch dein Pferd braucht mal eine Sofapause
  7. Muskelkater
    • was passiert da und was kannst du tun?

520 – so viele Muskeln hat dein Pferd! Das sind etwa 40% seiner Gesamtmasse. Ganz schön beeindruckende Zahl, oder? Das Muskelsystem deines Pferdes gehört zu den wichtigsten Bausteinen seines Körpers. Es mach Bewegung überhaupt erst möglich, aber auch Futteraufnahme und Verdauung. Es ist das Gewebe, auf das du als Reiter den größten Einfluss hast!

1. Die verschiedenen Muskeltypen:

Starten wir mit einem kleinen Ausflug in die Grundlagen der Anatomie und Physiologie des „aktiven Bewegungsapparates“, zu dem die Skelettmuskulatur und das Bändersystem gehören.

Es gibt 3 Muskeltypen:

die glatte Muskulatur: diese kann nicht aktiv kontrolliert werden, z.B. die Muskeln des Magen-Darm-Trakts, der Speiseröhre oder die Wand der Blutgefäße

den Herzmuskel, der auch unwillkürlich arbeitet und den wir nicht beeinflussen können

die quergestreifte Muskulatur (oder auch „Skelettmuskeln“), die dein Pferd aktiv steuern kann. Das Gehirn sendet einen Impuls an den Muskel und dieser führt die Bewegung aus.

In diesem Artikel geht es um die Skelettmuskeln. Übrigens: Die Muskeln unserer Pferde sind fast identisch mit unseren 💪.

2. Der Muskelaufbau

Vereinfacht ausgedrückt, bilden die Eiweiße Myosin und Aktin den kleinsten Baustein des Muskels, die sogenannten Myofibrillen (Myo = Muskel).

Millionen solcher Fibrillen bilden eine einzelne Muskelfaser und seeehr viele Muskelfasern fassen sich zu einzelnen Muskelfaserbündeln zusammen.

Viele Muskelfaserbündel ergeben dann einen Muskel, der von einer Bindegewebshülle eingefasst ist und als Sehne an einem Knochen ansetzt.

💡Sehnen sind also Teil der Muskulatur!! Sie sind als Verbindung zwischen Knochen und Muskel für die Kraftübertragung und Bewegung zuständig.

Bänder dagegen verbinden Knochen mit Knochen und sollen ein Gelenk stabilisieren und stützen und ein „zu viel“ an Bewegung verhindern.

3. Die Muskelfaser-Typen

Warum sind Sprintläufer so muskulös und Marathonläufer so dünn, obwohl der Bewegungsablauf und auch die trainierten Muskelgruppen sehr ähnlich sind? 

Das Geheimnis liegt nicht in der Bewegung selbst, sondern in der Intensität und Dauer. Hier kommen die Muskelfasertypen ins Spiel.

Jeder Muskel besitzt eine ganze Menge Muskelzellen. Skelettmuskelzellen werden wegen ihrer länglichen und faserigen Gestalt auch als Muskelfasern bezeichnet. Man unterscheidet grob zwischen schnell und langsam zuckenden (kontrahierenden) Muskelfasern.

Dadurch haben verschiedene Muskeln unterschiedliche Eigenschaften, die für unser späteres Training nicht unwichtig sind.

Rote oder Slow-Twitch-Fasern (Typ I)

Rot: weil sie einen hohen Anteil des Sauerstofftransporters Myoglobin enthalten. Dieses Protein weist eine rote Färbung auf, so erscheinen die Muskelfasern ebenfalls rot.

Slow-Twitch: weil sie langsam kontrahieren und nur langsam ermüden, daher sind sie perfekt geeignet um Dauerleistung zu erbringen – besonders wichtig für das Ausdauertraining. Kaltblüter sind z.B. nicht sehr schnell, können aber sehr lange und kraftvoll arbeiten. 

Auch die Muskelgruppen, die eine stabilisierende und damit statische Funktion haben, bestehen zum großen Teil aus ST (langsamen)-Muskelfasern. Diese statischen Muskeln werden die ganze Zeit beansprucht, um das Pferd in einer aufrechten Position halten zu können. 

Sie bestehen also zum Großteil aus Fasern des Typs I, z. B. bei den Muskeln des Rückens. Im Gegensatz dazu kann die Oberschenkelmuskulatur, wie der Musculus semitendinosus, nur sehr wenig aus dem Muskelfasertyp I bestehen.

Diese Muskeln haben schließlich den Zweck, schnelle und intensive Bewegungen zu ermöglichen.Allerdings bauen sie auch schnell ab, wenn das Pferd aufgrund einer Verletzung z.B. Boxenruhe hat und aus dem Training genommen wird. (Daher sollte ein Pferd mit Boxenruhe je nach Befund unbedingt passiv weiter „trainiert“ werden, um eine stabile Grundlage für das spätere aktive Reha- und Aufbautraining zu erhalten!)

Weiße oder Fast-Twitch-Fasern (Typ II)

Weiß: weil sie weniger mit Blutgefäßen durchzogen sind und weniger Myoglobin enthalten, daher erscheinen sie unter dem Mikroskop weiß.

Fast-Twitch: Diese Muskelfasern kontrahieren sehr schnell und sind für intensive, explosive und starke Bewegungen zuständig.

Hier wird nochmal in Typ IIa und IIb unterteilt: 

  • Die Muskelfasern des Typs IIB sind schnell zuckende, kräftige Muskelfasern, die viel Energie verbrauchen und daher schnell ermüden. Sie dienen also vor allem der kurzen Anstrengung, wie Sprints. Vollblüter oder Quarter Horses besitzen viele Typ IIb Fasern. Auch für die explosive Kraftentwicklung am Sprung kommen diese „schnellen“ FT-Fasern zum Einsatz.

  • Die Muskelfasern des Typs IIA kontrahieren mittelmäßig schnell, sind mittelmäßig kräftig und ermüden mittelmäßig schnell. Bei so viel „mittelmäßig” ahnst du es wahrscheinlich schon: Sie befinden sich zwischen den Muskelfasern des Typs IIB und Typ I, was für kraftvolle und ausdauernde Leistung notwendig ist, z.B. bei Vielseitigkeitspferden aber auch für Dressurlektionen z.B. für einen kraftvollen, ausdrucksstarken Antritt in den Verstärkungen oder beim fliegenden Wechsel.

Wir finden in jedem Muskel alle drei Arten von Fasertypen. Je nachdem, auf welche Art und wie oft der Muskel beansprucht wird.

Der prozentuale Anteil der Muskelfasern des Typs I oder des Typs II variiert je nach Muskel, Rasse und… TRAINING!

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Was bedeutet kontrahieren?

Kontraktion eines Muskels bedeutet, dass sich der Muskel anspannt und zusammenzieht, nachdem er über das Rückenmark einen Nervenimpuls mit einem Auftrag für eine bestimmte Bewegung bekommen hat. Im Anschluss entspannt er sich wieder. Wird der Muskel überlastet und „macht zu“, entspannt er sich nicht mehr. Wird der Muskel trotzdem weiter beansprucht, kann das zu Zerrungen oder einem Muskelfaserriss führen.

Muskelfasern können nach einer Verletzung nicht mehr zusammenwachsen!

4. Wie dein Training die Verteilung der Muskelfasern bestimmt

Du ahnst jetzt sicher schon, dass die Art und Weise, auf die du dein Pferd trainierst, sich auch auf die Zusammensetzung seiner Muskeln auswirkt.

Je mehr du also „lange und langsam” reitest, also die Ausdauer verbessert wird (lange Einheiten zur Gymnastizierung, viel Trab), desto mehr wird sich der Anteil des Muskelfasertyps I vergrößern.   

Je mehr du an Schnelligkeit und Kraft deines Pferdes arbeitest (Cavaletti, In-Outs, aus dem Stand antraben oder angaloppieren, kurze aber schnelle Galoppeinheiten…), desto mehr wird sich der Anteil des Muskelfasertyps II vergrößern.

Jetzt weißt du, warum ein abwechslungsreiches und an deine Disziplin angepasstes Training so wichtig ist.

Beim Menschen ist das übrigens genauso! Marathonläufer haben besonders viele ausdauernde Muskelfasern vom Typ I. Bodybuilder trainieren mit viel Kraft und schweren Gewichten über einen kurzen Zeitraum. Damit bilden deren Muskeln mehr Typ II Fasern aus, was sich dann im Laufe der Zeit an den dicken Muskelpaketen zeigt!

Einen Marathon kann ein Bodybuilder dagegen (meistens) nicht laufen

5. Was bedeutet das jetzt für dein Training?

Mit deiner Trainingsgestaltung kannst du die Muskelfasern und so die Struktur der Muskeln deines Pferdes beeinflussen und bis zu einem gewissen Grad sogar „schnelle“ in „langsame“ Muskelfasern umwandeln. Spannend, oder?! 🙃🐎

Grundlage für jedes Pferd ist eine gesunde Ausdauer-Basis.  Dazu gehören leichte bis mittelschwere Übungen. Das Ziel sollte mindestens 20 Minuten Trab in Dauermethode sein, Übergänge, Biegungen und Seitengänge.

Die Muskelfasern des Typs I werden so aufgebaut und gestärkt, um an Ausdauer zu gewinnen. Nach ca. 6-8 Wochen ist der Muskel widerstandsfähiger und gekräftigt. Dann geht es in die nächste Phase: das Bodybuilding. Hierbei arbeitet ihr an den Muskelfasern des Typs II.

2 bis 3 Trainingseinheiten pro Woche reichen: Cavaletti, reiten auf 2 Hufschlägen, Seitengänge, kleine Hindernisse, Arbeit an der Versammlung und versammelnde Lektionen, Aquatraining, im Gelände mit unterschiedlichen Böden und im Idealfall mit ein wenig bergauf – bergab.

Damit trainierst du dann kurz aber intensiv die Muskelkraft deines Pferdes. 

Mit so einem Trainingsaufbau kannst du quasi an der Größe der Muskeln deines Pferdes arbeiten. Das Ergebnis wird sich sehen lassen! 👍

Erholungsphase

⚠️ Nach einer intensiven Trainingseinheit oder einem Turnier brauchen die Muskeln deines Pferdes mindestens 48 Stunden, bis sie sich vollständig erholt haben! (wurden die Sehnen mehr belastet brauchen diese sogar 72 Stunden!).

Achte also unbedingt auf ausreichende Pausentage. Spaziergänge, leichtes und lockeres Bewegungsprogramm oder Bodenarbeit sollten dann auf dem Plan stehen.

Zur Erinnerung: Muskeln wachsen in ihrer Pause!

6. Belastungsgrenze

In meinem Physioalltag sehe ich täglich Pferde mit Verspannungen und Verletzungen am Bewegungsapparat, die aufgrund falscher oder zu hoher Belastung entstanden sind. Sie wären also eigentlich vermeidbar gewesen!

Erinnerst du dich an die Grafik zum Aufbau des Muskels am Anfang des Artikels?

…der Muskel setzt mit der Sehne am Knochen an…“

Ein Sehnenschaden ist die absolute Schockdiagnose für jeden Reiter – in fast allen Fällen besteht schon lange Zeit im Voraus ein muskuläres Problem!

Bei der Muskulatur sind bereits nach ca. 6-8 Wochen erste Trainingserfolge sichtbar. Sehnengewebe braucht da leider deutlich länger und ist erst nach ca. 6 Monaten Training stabiler und kräftiger geworden. Wird die Muskulatur also zu schnell aufgebaut, zieht ein starker Muskel an einer schwachen Sehne – was dann passiert, kannst du dir sicherlich vorstellen.

Wird die Muskulatur zu viel und zu lange überfordert, bekommt der Körper deines Pferdes Stress und schüttet Adrenalin aus, das den Stoffwechsel hemmt.  Außerdem übernehmen andere „falsche“ Muskeln die Arbeit, für die sie gar nicht gemacht sind. Es ist unmöglich, so euer Trainingsziel zu erreichen. 

Die Belastbarkeit eines Muskels steigt mit seinem Muskelwachstum – ein Muskel kann aber nur wachsen, wenn er in seiner natürlichen Funktion beansprucht wird.🔎 Achte also bitte immer auf Ermüdungszeichen deines Pferdes wie erhöhte Atem- und Pulswerte, Taktfehler, Zähne knirschen, stolpern, sich-auf-die-Hand-legen, plötzliches Verspannen….🐴❤️

7. Muskelkater

🔥 Ich bin mir sicher du weißt, wie schmerzhaft Muskelkater sein kann.  Doch was ist eigentlich Muskelkater? 

Früher glaubte man an eine „Übersäuerung“, eine Ansammlung von Milchsäuren in der Muskulatur, die nicht abtransportiert wurde. Das wurde aber mittlerweile durch zahlreiche Studien widerlegt, da der Muskelkater erst dann auftritt, wenn die Laktatwerte schon längst wieder im Normbereich liegen.

Der Grund für Muskelkater sind kleine MuskelfaserrisseimMuskelgewebe. Durch diese Risse entsteht eine Entzündung im Gewebe. Die Muskulatur schwillt an es kommt zu einem Dehnungsschmerz – der Muskelkater 🐱

Woran erkennt man Muskelkater?

Pferde können ja leider nicht „Autsch“ sagen… Auf den ersten Blick zeigt er sich oft gar nicht. Wenn dein Pferd irgendwie „steif“ läuft, druckempfindlich wird, sich an den betroffenen Stellen nicht berühren lassen möchte oder beim Satteln unwillig reagiert solltest du auf jeden Fall hellhörig werden! Häufig kannst du dann auch Verhärtungen in der Muskulatur spüren

Wie lange bleibt er?

Da immer nur ein Teil der Muskelfasern, genau genommen der Myofibrillen, reißt und nicht die gesamte Muskelfaser, verschwindet ein Muskelkater meist innerhalb weniger Tage.

⚠️ Symptome, die länger als vier bis sechs Tage anhalten, können auf andere Ursachen hinweisen, z.B. auf eine Zerrung oder sogar einen Muskelfaserriss. In diesem Fall solltest du auf jeden Fall deinen Tierarzt um Rat fragen.

Training trotz Muskelkater?

Jein. Geschädigte Muskelfasern brauchen natürlich Zeit, um sich zu erholen. Aber: leichte Bewegung ohne große Anstrengung hilft, den verspannten Muskel zu lockern, ohne ihn jedoch weiter zu beanspruchen. So unterstützt du den Muskel bei der Regeneration, so dass durch die Gymnastizierung die Abbauprodukte besser abtransportiert werden können.

Kann Wärme helfen?

Ja, auf jeden Fall! Wärme ist ideal, da sie die Durchblutung fördert und so den Muskel schneller mit allen Nährstoffen versorgt die er jetzt braucht. Wenn du ein Solarium zur Verfügung hast – perfekt! An einem warmen, sonnigen Tag kannst du dein Pferd auch einfach in die Sonne stellen. ☀️ Oder du nutzt warme Decken.

Wie du Muskelkater verhindern kannst.

🗓️ Mit einem guten Trainingsplan kannst Du Muskelkater am besten vorbeugen. Dazu gehört vor allem: nicht ständig das Maximum fordern. Auf eine anstrengende Trainingseinheit sollte ein Pausentag mit locker gymnastizierender Arbeit folgen.

Bei neuen Lektionen, die ungewohnte Bewegungen enthalten, gilt ebenfalls: weniger ist meist mehr.Dazu gehört natürlich vor jedem Training eine vernünftige Aufwärmhase und Lösungsphase. So werden nicht nur die Muskeln vorgewärmt und gedehnt, sondern es wird auch die Durchblutung gesteigert, die Atemfrequenz erhöht für eine vermehrte Sauerstoffaufnahme und ausreichend Gelenkschmiere gebildet.

Doch zu diesen Themen gibt´s hier demnächst mehr …🤩

Also, hab immer im Blick, welch enormen Einfluss wir als Reiter auf die Muskulatur unserer Pferde haben. Wachstum und Stärkung von Muskeln erfordern Zeit, Geduld und einen durchdachten Trainingsplan

Wenn wir die Grundlagen des Muskelaufbaus und ihrer Funktion verstehen, können wir gezielt dazu beitragen, unseren Teampartner zu einem starken, geschmeidigen und leistungsfähigen Athleten zu entwickeln. Das wird nicht nur die körperliche Leistung deines Pferdes verbessern, sondern auch seine Gesundheit, Freude und Wohlbefinden.

Wissen ist dein stärkstes Werkzeug und die beste Prävention! 😀


Sei motiviert, sei aufmerksam und vor allem voller Liebe für deinen besten Freund ❤️

Bis zum nächsten Artikel,

deine Jeanette

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